Jedes Jahr im September treffen sich professionelle Redner im Rahmen der GSA Convention. Bei der internationalen Veranstaltung der German Speakers Association (GSA) stehen Experten mit unterschiedlichsten Themen auf der Bühne. Einige stechen dabei besonders hervor, indem sie in hoher Dichte interessante, oft unmittelbar nutzbare Inhalte bieten und ihr Publikum berühren. Sie sind es, über deren Reden in den Pausen am meisten gesprochen wird – an ihnen können sich andere Redner orientieren.
Die 11. Internationale GSA Convention 2016 stand unter dem Motto „Performance“. Auf der Bühne, in den Workshops und als Redner bei der Gala waren unter anderem Helmut Markwort, Paul Breitner, Walter Kohl, Nabil Doss und Shawne Duperon.
Stefan Verra: „Aus Angela Merkel werden wir nie eine Rampensau machen.“
Wie soll ein Redner auf der Bühne stehen? Fester Stand und keinesfalls die Arme verschränken? Nein, sagt der Körpersprache-Experte Stefan Verra. Ein fester Stand sei keine funktionelle Körperhaltung, und verschränkte Arme könnten auch andere Bedeutungen haben als Ablehnung – sagt Verra und zeigt auf der Bühne, dass es nicht sinnvoll ist, einzelne Signale des Körpers herauszugreifen und zu interpretieren. Auch hier komme es auf den Zusammenhang an.
Generell sei es entscheidend, mit dem eigenen Körper behutsam umzugehen. Jeder habe seine individuelle Körpersprache. So könne man beispielsweise aus Angela Merkel „nie eine Rampensau machen“.
Um die Wirkung der Körpersprache verständlich zu machen, erklärt Verra: Wenn man auf dem Markt einen Apfel kaufe, entscheide zunächst die Optik. Dann aber komme es auf den Geschmack, auf die inneren Werte an. Ebenso könne Körpersprache die inneren Werte nicht ersetzen.
Wichtig sei es, so Stefan Verra, den Menschen mit Hilfe der Körpersprache das Gefühl zu geben, sie seien „nicht in Gefahr“. Hierzu lohne es sich, lächeln zu üben. Der Ausdruck von Kompetenz zeige sich unter anderem in der Art, wie ein Mensch Raum in Anspruch nimmt. Um kompetent zu wirken, dürften Frauen sich, Verras Meinung nach, mehr Raum nehmen, das heiße, sich nicht zu schmal aufzustellen und die Fußspitzen keinesfalls nach innen zu drehen. Nehme man hingegen zu viel Raum in Anspruch, könne leicht Konkurrenz entstehen.
Verra erzählt auch von einer Erfahrung im Kinderhospiz. Oft gingen erwachsene Hospizbesucher in eine Trauerkörpersprache. Dies sollten sie keinesfalls tun, denn die Kinder seien schließlich noch am Leben.
Peter Martin Thomas: Die Zielgruppen der Zukunft zu kennen, ist für Redner entscheidend
Die Workshop-Teilnehmer des „Redners und Zuhörers“ Peter Martin Thomas erfahren, wer ihnen in Zukunft zuhören wird: „Jugend“ werde ein seltenes Gut werden, wobei diese aus soziologischer Sicht 11 bis 30 Jahre alt sei: Mädchen kämen bereits ab 11 in die Pubertät, und das durchschnittliche(!) Alter, in dem „Kinder“ heute von zu Hause ausziehen, sei 30 Jahre. Eine große und noch größer werdende Zielgruppe sei die Generation 60+. Zielgruppen so pauschal zu betrachten, sei jedoch recht vage.
So seien z. B. Angela Merkel und Hella von Sinnen sogenannte „soziologische Zwillinge“, ebenso wie Prinz Charles und Ozzy Osbourne – jeweils zu ähnlicher Zeit im selben Land geboren. Diese Beispiele machten jedoch schnell sichtbar, dass eine Detailbetrachtung der Lebensumstände verschiedener Gruppen sinnvoll sei, um zielgruppengerechte Angebote entwickeln zu können.
Thomas, der auch die Sinus-Akademie leitet, greift dabei auf Daten der „Sinus Markt- und Sozialforschung“ zurück. Zwei der sogenannten Sinus-Milieus würden in Deutschland in Zukunft besonders bedeutend werden: Das „adaptiv-pragmatische Milieu“ und das „expeditive Milieu“. Wer ersterem Milieu angehöre, sei anpassungsbereit und nutzenorientiert, wolle sich alle Optionen offen halten, sei weltoffen – aber nicht zu sehr. Typisch seien die Eltern, die sich in der Kita stark engagierten. Sobald die Kinder die Kita aber nicht mehr besuchten, würden sich die Eltern schlagartig aus ihrem Engagement zurückziehen, schließlich bringe es keinen Nutzen mehr. Diese Menschen bildeten laut Thomas die gesellschaftliche Mitte der Zukunft. Zweiteres, das expeditive Milieu, wachse ebenfalls. Angehörige dieser Gruppe wollten Trendsetter sein, sie seien transnational orientiert, on- und offline vernetzt und hätten – obwohl zielorientiert – kein Karrieredenken.
So unterschiedlich und teils widersprüchlich die Zielgruppen der Zukunft seien, so wichtig sei es für Redner, echten Kommunikationsnutzen zu bieten. Hierzu käme es darauf an, so Peter Martin Thomas, sich für die Lebenswelten der Menschen zu interessieren und sich vor allem zu entscheiden: Welche Zielgruppe(-n) will ich erreichen.
Walter Kohl: Um innere Energiequellen kümmern statt um äußere
Wie kann ein Redner „in Energie“ kommen und auch nach außen stark wirken? Unternehmer, Autor und Redner Walter Kohl weiß: Der größte Feind der Stärke sei man selbst. Gleichzeitig liege die Quelle für Energie in jedem selbst. In diesem Zusammenhang geht Walter Kohl in seiner Rede auf die besonderen Umstände seiner Herkunft ein.
Als Sohn des ehemaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl war er bereits als Kind unüblichen Umständen ausgesetzt, unter anderem dem RAF-Terrorismus der 70er Jahre. Aber auch für die Politik seines Vaters verantwortlich gemacht zu werden oder der Suizid seiner Mutter Hannelore Kohl waren große Herausforderungen im Leben Walter Kohls. Es käme jedoch darauf an, die negativen Momente, die Kraftfresser im eigenen Leben, nicht auszusperren, sondern einen neuen Blick auf sie zu werfen. Denn in ihnen läge die Chance zur Durchsetzungsfähigkeit. Inspiration sei für ihn unter anderem Viktor Frankl gewesen – Kohl empfiehlt dem Publikum Frankls Buch: „Trotzdem Ja sagen zum Leben“.
Um schwierige Situationen letztendlich zu Energiequellen zu machen, komme es darauf an, vier Sackgassen zu vermeiden:
- „Warum bzw. warum ich?“ Diese Frage solle man ersetzen durch die Frage: „Wofür?“
- „(Un-)Gerechtigkeit.“ Hier sei es wichtig, für Stimmigkeit in der Situation zu sorgen. Bei der Stimmigkeit stelle sich die Frage: „Kann ich offen und öffentlich dazu stehen?“
- „Die Zeit heilt alle Wunden.“ Laut Kohl stimmt das nicht. Vor Aussitzmentalität habe er „Horror“.
- „Nach-Tragen.“ Anderen etwas nachzutragen sei eine Last. Es sei passiv, und statt zu leben werde man gelebt.
Der Kampf mit einem Konflikt sei ebenso wenig eine Lösung wie die Flucht aus einem Konflikt in Form von Kapitulation, Passivität oder beispielsweise Alkoholsucht. Versöhnung sei der Weg zum einseitigen, inneren Frieden. Helfen könne es, so Walter Kohl, sich Vorbilder zu suchen, „die ihren biographischen Rucksack überwunden haben“.
René Borbonus: Ein guter Redner hat eine nicht modellierbare Tiefe
Beim Galaabend im Rahmen der GSA Convention wurden verschiedene Redner geehrt und ausgezeichnet. Unter anderem wurde der Mitbegründer des Vereins „CliniClowns“, Dr. Roman Szeliga, in die Hall of Fame (HoF) der GSA aufgenommen.
In seiner Laudatio auf Szeliga geht der Redner und Rhetorikexperte René Borbonus unter anderem darauf ein, was einen erfolgreichen Redner ausmache:
Er brauche, so Borbonus, eine Vertikale, etwas, was sein Leben durchdringe. Daraus ergäbe sich ein spezielles, kaum kopierbares Wissen, mit dem der Redner seine Zuhörer berühre und bewege. Diese Vertikale müsse belastbar sein. Daher werde ein guter Redner niemals ein Thema suchen müssen – es sei einfach da.
Ein guter Redner habe darüber hinaus eine außergewöhnliche Präsenz. Wenn hier nichts Außergewöhnliches sei, reiche es nicht bis nach oben.
Die Laudatio von René Borbonus fällt durch ihre präzise Sprache und Wirkkraft auf. Dies könnte könnte daran liegen, dass Borbonus lange Zeit als Redenschreiber in verantwortungsvoller Position gearbeitet hat. Eventuell führt diese Erfahrung zu einer Herangehensweise, aus der letztendlich die hohe sprachliche und inhaltliche Qualität resultiert.
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- Interview mit Walter Kohl über die Macht des Wortes, Kommunikation in der Führung und den Zusammenhang zwischen Autorität und dem sorgfältigen Umgang mit Sprache.
- Rede von Helmut Markwort zur Verleihung des Deutschen Rednerpreises 2016 im Rahmen der GSA Convention, in der Markwort Stellung zur aktuellen politischen Rhetorik bezieht.
© Rhetorikmagazin, Christian Bargenda
© Foto René Borbonus: Jochen Wieland
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