Reden, die das Publikum bewegen: Dafür ist nicht nur der US-Präsident Barack Obama bekannt, sondern auch seine Schwester Dr. Auma Obama. Hierfür erhielt sie den Deutschen Rednerpreis 2015.
Dem Rhetorikmagazin beantwortete Frau Dr. Obama Fragen über die Hintergründe ihrer Rhetorik und über ihre Art, zu Menschen zu sprechen.
Sie sind Kenianerin und 1980 nach Deutschland gekommen, um Germanistik und Soziologie zu studieren. Ein Grund dafür war Ihre Faszination für deutsche Schriftsteller wie Heinrich Böll und Wolfgang Borchert. Wann und wie haben Sie zur Rhetorik und zum Reden vor Menschen gefunden?
Wahrscheinlich hat eher das Sprechen vor Menschen mich gefunden – spätestens, seit ich mich für Themen und Projekte der sozialen, ökonomischen und ökologischen Nachhaltigkeit engagiere. Da wurde es für mich, obwohl ich früher eigentlich eher schüchtern war, zur Normalität, Menschen direkt anzusprechen, zu informieren, zu begeistern und zum Handeln zu führen. Die formalen Aspekte der Rhetorik habe ich sicher der Literatur und auch meiner Ausbildung als Filmemacherin zu verdanken, aber das Reden strömt mir heute einfach aus dem Herzen.
Heute sind Sie in verschiedenen Organisationen aktiv, z. B. beim Weltzukunftsrat, im Vorstand der Jacobs-Stiftung und in der von Ihnen gegründeten Sauti-Kuu-Foundation. Sie setzen sich für andere ein und ergreifen für sie das Wort. Wie gelingt es Ihnen, dass Ihre Worte wirken und Sie die Zuhörer für Ihre Ziele gewinnen?
Ich glaube, das liegt daran, dass die Menschen spüren, dass ich aus der Tiefe meines Herzens spreche. Unverstellt, ungefiltert, ehrlich – und ja, auch emotional. Niemand verfügt über die absolute Wahrheit, man kann immer nur aus der eigenen Erfahrung sprechen, aus dem, was man gelernt und auch von anderen Menschen als Wissen erhalten hat. In dieser Hinsicht habe ich von meiner Familie, aus meinem Geburtsland einen reichen Schatz an Geschichten, an Wissen und Liebe erhalten – und diesen Schatz konnte ich in der Folge mit vielen Menschen teilen. Das ist vielleicht der zweite Grund, warum mir heute viele Menschen zuhören und glauben: weil ich auch tue, was ich sage. Weil ich aufgestanden bin, um etwas zu ändern. Und ja, heute hören mir auch noch mehr Menschen wegen meines Nachnamens und meines Bruders zu: Sie machen mir mehr Türen auf – aber ich gehe auch hindurch und erhebe meine eigene Stimme und die aller Menschen, die wir bei Sauti Kuu unterstützen.
Wie würden Sie Ihre eigene Rhetorik beschreiben?
Überlegt – aber geradeheraus. Engagiert und emotional. Positiv und fröhlich – aber immer auch Probleme und Herausforderungen klar benennend und aktiv angehend. Ich bin keine Missionarin, aber ich habe eine Mission.
Haben Sie Lehrer oder andere Menschen, die Ihnen bei der Redevorbereitung Feedback geben? Wie trainieren Sie für Ihre Auftritte?
Ich recherchiere sehr gerne meine Themen in der Tiefe aus und gehe sehr bewusst auf mein jeweiliges Publikum ein. Auch wenn Tausend Leute im Saal sind, rede ich direkt mit jedem Einzelnen. Das ist meine Formel. Das Feedback erhalte ich direkt über die Reaktion des Publikums.
Lassen Sie sich von einem Redenschreiber unterstützen?
Nein, ich formuliere meine Reden nicht einmal im Vorhinein detailliert aus. Ich trainiere auch keine Vorträge oder lerne sie auswendig. Das brauche ich nicht, denn ich spreche nur über die Themen und Fakten, die ich sehr gut kenne, für die ich Expertin bin. Daher kann ich zu jedem dieser Themen aus dem Stegreif sprechen, und zwar in jeder geforderten Länge und für jedes Publikum. Ich spreche vor und mit Jugendlichen und „normalen Menschen“ genau so oft und gerne wie vor und mit Wirtschaftsführern, Vorständen, Social Entrepreneurs oder Politikern.
Auf der Bühne wirken Sie sehr authentisch. Wie weit darf oder muss aus Ihrer Sicht Authentizität vor Publikum gehen?
Danke erstmal für das Kompliment! Ich denke, ich wirke auf der Bühne authentisch, weil ich es auch bin. Was bedeutet das denn im Eigentlichen? Dass ich bin, wer und wie ich bin. Ich bin echt und bekomme echte Gefühle von den Menschen zurück, die mir zuhören. Das ist ein Zirkel, der sich vorwärts verstärkt, so entsteht eine starke Emotion bei meinen Vorträgen – eine Emotion, die etwas bewirkt und oft in Handlung umgewidmet wird, weil die Zuhörer Impulse mitnehmen, die sie nicht nur zum Nachdenken bringen, sondern oft auch zum Handeln.
Die Fragen stellte Christian Bargenda, Chefredakteur des Rhetorikmagazins. Informationen über Dr. Auma Obama und ihre Stiftung: www.aumaobama.de, www.sautikuufoundation.org.
Der Deutsche Rednerpreis wurde 2010 ins Leben gerufen und wird von der German Speakers Association verliehen. Bisherige Preisträger sind unter anderem Prof Dr. Roman Herzog (Bundespräsident a.D.), Prof. Dr. Margot Käßmann und Hans Dietrich Genscher.