Ob Tagung, Besprechung oder Feier: Es gibt immer wieder Situationen, in denen Sie sich in einer Gruppe von Menschen befinden, und niemanden kennen. Und meistens lohnt es sich, mit anderen in Kontakt zu kommen. Öfter als viele denken, ergeben sich gute geschäftliche Beziehungen. Doch selbst wenn „nur“ eine nette Unterhaltung entsteht, hat es sich schon gelohnt, auf den anderen zuzugehen. Nur genau dies fällt vielen schwer. Manchmal überwiegt die Angst vor einer Abfuhr, oft scheint es bequemer zu sein, in der Ecke stehen zu bleiben oder sich in sein Smartphone zu vertiefen. Aber sind Sie dabei wirklich entspannt, oder ist es nicht doch eher eine Qual, trotz Gesellschaft alleine zu bleiben?
Dass es im Grunde einfach ist, mit Menschen ins Gespräch zu kommen, und wie es geht, erzählt der Kommunikationsexperte Robert Spengler in seinem Buch „Menschengewinner“.
Viele der Situationen, die er beschreibt, kennen Sie vermutlich so oder ähnlich – ebenso wie die vielen Ausreden, jemanden nicht anzusprechen. Wer nicht leicht auf Menschen zugehen kann, dem fallen viele Gründe ein, warum er einen anderen nicht ansprechen will. Aber genau diese Ausreden, so Spengler, können Sie nutzen, um daraus „Anreden“ zu machen. Die „Kraft Ihrer Ausreden“ können in den Schwung für eine Kontaktaufnahme umgewandelt werden. Selbst in extremen Situationen funktioniert dies: Sie sitzen im Flieger neben einem berühmten Schauspieler aus den USA, und Sie glauben, Ihr Englisch sei zu schlecht, ihn ansprechen zu können? Sagen Sie ihm einfach, dass Ihr Englisch schlecht sei, sie ihn aber dennoch gerne etwas fragen würden. Robert Spengler empfiehlt sogar, bewusst Ausreden zu sammeln, um daraus Anreden zu machen.
Zurückhaltung lohnt sich im Beruf meistens nicht.
Sowohl bei Selbständigen, als auch bei Arbeitnehmern, kommt es darauf an, dass sie leicht mit anderen ins Gespräch kommen: Im Kundenkontakt, auf Messen oder auch nur unter Kollegen. Wenn es darum geht, die eigenen Interessen durchzusetzen, scheitern laut Spengler Zurückhaltende eher. Die gute Nachricht lautet jedoch, dass man seine Zurückhaltung nicht aufgeben muss. Wer es richtig angeht, kann damit „dennoch groß herauskommen“. Haben Sie z. B. in einer Vereinssitzung einen Schwätzer, der zwar viel sagt, aber nichts Fundiertes, können Sie als Zurückhaltender mühelos punkten. Wahrscheinlich strahlen Sie mit Ihrer Zurückhaltung Ruhe, Kompetenz und Vertrauenswürdigkeit aus, die der Vielredner jetzt nicht zeigt.
Wenn Sie Ihre Zurückhaltung dennoch ein Stück weit ablegen wollen, erhalten Sie in „Menschengewinner“ konkrete Tipps dazu. Beispiel: Nennen Sie sich bei einem gemeinsamen Erfolg als erster und stellen Sie sich dadurch in den Vordergrund. Sie werden merken, dass Ihr Umfeld gar nicht so negativ darauf reagiert. Probieren Sie es aus.
Sich zu verstellen, wäre aber der falsche Weg.
Robert Spengler empfiehlt daher, den natürlichen Kommunikationsstil beizubehalten. Gerade wenn Sie Menschen kennenlernen wollen, würden Sie sich keinen Gefallen tun, wenn Sie schauspielern. Erkennen Sie stattdessen Ihren Grundtyp und pflegen Sie ihn bewusst.
Und wie kommen Sie konkret in Kontakt?
Spengler gibt zahlreiche Ratschläge, wie Sie z. B. die richtigen Gesprächsanlässe finden. Oder wie Sie ein „Small-Talk-Thema“ finden, mit dem Sie sich auf mehrere Gesprächsteilnehmer einstellen können. Ein Stichwort in dem Zusammenhang lautet Geschichtenerzählen. Das, was ein Publikum eines Redners begeistert, funktioniert laut Spengler genauso in Gesprächen. Mit authentischen Schilderungen, Gefühlen der Freude oder z. B. der Angst oder mit Hoffnungen kann der Funke leichter überspringen. Mit minutiösen Projektberichten kann es passieren, dass Sie langweilen und ein Gespräch abebbt. Mit Begeisterung und eigenen Geschichten gelingt es leichter, Menschen für sich zu gewinnen. Und es geht darum, so Spengler, etwas von sich preiszugeben.
Finden Sie den Mut und erlangen Sie Aufmerksamkeit.
Mit der entsprechenden Präsenz werden Sie besser wahrgenommen und können Ihre Interessen besser wahrnehmen. Dabei kommt es auch auf die (innere) Haltung an, mit der Sie auf andere zugehen. Ebenso spielen laut Spengler – wie in klassischen Theaterstücken – Lust und Schmerz entscheidende Rollen. Sie seien mächtige rhetorische Werkzeuge, und mit Geschichten, die Gefühle auslösen, können Sie sowohl ein Publikum, als auch Ihre Gesprächspartner z. B. bei einem Geschäftsessen begeistern. Es kommt dabei nicht so sehr darauf an, dass Ihr Gegenüber Ihre Meinung teilt. Wichtiger, um Aufmerksamkeit zu erreichen, sind die Emotionen, die Sie auslösen – ohne Umschweife und am besten mit Dingen, die Sie selbst erlebt haben.
Die anschließenden Themen in „Menschengewinner“ sind die Brillentausch-Methode, der Umgang mit Energieräubern, wie Sie andere Menschen zum Reden bewegen (z. B. durch geschicktes Schweigen) und typgerechte Kommunikation.
Robert Spengler geht danach einen Schritt weiter zur Beziehungspflege. Hier geht es um persönliche Stärken und Schwächen, die vielleicht nicht direkt mit Kommunikation zu tun haben scheinen, die uns aber in unserer Kommunikation beeinflussen. Beispiel: Wie stark vergleichen Sie sich mit anderen? Oder: Wie gut lassen Sie andere gelten und kommen dadurch selbst gut zur Geltung? Wie gehen Sie mit Ihren persönlichen Makeln – falls vorhanden – um? Was tun, wenn eine Beziehung zu scheitern droht? Und wie können Sie kritisieren, ohne zu verletzen? All dies keine Themen, um ins Gespräch zu kommen, aber um im Gespräch zu bleiben.
Das Fazit zu „Menschengewinner“: Empfehlenswert
Das Buch ist systematisch aufgebaut und enthält viele beispielhafte Situationen, die im wahren Leben passieren können. Jedes Kapitel endet mit der Auflösung „So kommen Sie in Kontakt“ und mit einem Praxis-Tipp. „Menschengewinner“ liest sich zügig und ist ein Buch, das sich in der Praxis gut anwenden lässt. Bei Begriffen wie „Standing“ oder „nonverbale Body Tells“, die Spengler verwendet, kommt vermutlich mancher aus dem Lesefluss. Solche stilistischen Ausrutscher sind jedoch selten und tun dem Inhalt keinen Abbruch.
Mich selbst hat das Buch motiviert, die Tipps auszuprobieren. Ich habe bewusst Situationen gesucht, in denen ich mit Fremden ins Gespräch kommen konnte, und mich geradewegs auf Veranstaltungen gefreut, bei denen ich niemanden kannte. Gewiss ist es notwendig, über den eigenen Schatten zu springen. Doch die Methoden funktionieren, und es haben sich tatsächlich gute Gespräche und interessante Kontakte ergeben.
Rhetorikmagazin
© Christian Bargenda, rhetorikmagazin.de
Foto: Robert Spengler, Buchcover: Ariston