Ein Beitrag der Fachbuchautorin und Kommunikationsexpertin Dr. Cornelia Topf. –
„Stille, Stille würde ich brauchen“, klagte Franz Kafka 1922, „ohne Ohropax bei Tag und Nacht ginge es gar nicht.“
Natürlich: Kafka ist ein extremer Fall. Aber leiden wir nicht alle unter der unermüdlich-hysterischen Quasselkulisse unserer Tage? Ständig lärmt das Volk um uns herum: Vorgesetzte, Politiker, Kunden, Kinder, Mitarbeiter, Kollegen, TV, Telefon, Handy, Radio, … Das nervt! Was schon schlimm genug ist. Schlimmer ist, wenn wir da mitmachen.
Wer quasselt, wirkt nicht.
Viele Menschen kommen zu mir zum Coaching oder ins Seminar mit dem Wunsch: „Ich will besser reden können! Toller argumentieren! Öfter Recht bekommen! Schlagfertiger werden!“ Denen muss ich erst mal eröffnen: Mehr quasseln bringt nicht unbedingt mehr Wirkung. Schauen Sie die großen Schauspielerinnen und Schauspieler an, die großen Rhetoriker und Motivatoren. Die quasseln nicht. Aber sie wirken! Weil sie weniger reden und mehr schweigen.
Deshalb lernt jeder Theater-Eleve die sogenannte Kunstpause: Wer künstlich pausiert, wirkt besser. Deutlich besser.
Ich wette: Das können Sie nicht. Das kann niemand aus dem Stand. Die Welt ist in dieser Hinsicht gerecht: Sie üben das – dann können Sie das. Einfachste Übung der Welt: Lesen Sie sich diesen Absatz (halb)laut vor und achten Sie auf Ihre Pausensetzung. Wo setzen Sie Pausen? Das ist zu wenig und zu kurz. Sie vergessen Pausen: Vor jedem „und“ ist zum Beispiel auch eine. Also noch einmal. Und noch einmal. Merken Sie etwas? Ja, da begeistert man sich selbst, wenn man plötzlich entdeckt, wie wirksam man reden/schweigen kann. Und das ist längst nicht alles.
Weniger Worte – mehr Gewicht.
Warum sollten Sie Kunstpausen setzen? Um Ihrem Ansprechpartner Gelegenheit zu geben, das Gesprochene zu verstehen und emotional darauf zu reagieren. Deshalb heißt Schweigen nicht bloß: Klappe halten. Es muss unbedingt auch mimisch und gestisch unterstützt, unterstrichen werden.
Wenn Sie mit Ihrem Schweigen eine Verständnispause begleiten, wie begleiten Sie sie dann? Richtig, mit hochgezogenen Augenbrauen und fragendem Blick: Hast du das verstanden? Oder soll ich das nochmal erklären? Das ist sozusagen das Standardschweigen. Es gibt auch ein offensives Schweigen: Arme verschränken, Augenbrauen zusammenziehen, Lippen zusammenkneifen, von oben herab schauen und sich vor allem denken: Was bist denn du für eine(r)? Wenn Sie dazu noch leicht mit der Zunge Ts, Ts machen, wirkt das wie der verbale Schlag in die Magengrube und oft besser als jede Keiferei, weil jeder jede Keiferei schon so gewohnt ist, dass sie keiner mehr ernst nimmt.
Ähnlich funktioniert das gelangweilte Schweigen: Blick zur Decke, zur Uhr oder zum Fenster, Finger trommeln, Zunge in die Backen schieben. Da muss man gar nicht mehr sagen, dass einem das Gegenüber auf den Senkel geht.
Eines meiner Lieblingsschweigen ist das paradoxe Schweigen.
Wenn mich jemand ungerechtfertigt angreift, dann rechtfertige ich mich nicht – was immer schwach wirkt. Nein, ich schweige oft und lächle entwaffnend. Das verwirrt den Angreifer zuverlässig derart, dass er ganz schnell von seiner Attacke runterkommt. Die Steigerung dessen ist das Exit-Schweigen: Ich schweige, lächle, drehe mich um und lasse die Leute einfach stehen. Das wirkt kräftiger als jede Ohrfeige und ist das Sinnbild des starken Abgangs. Klingt interessant? Dann ab damit in die Umsetzung.
Die richtige Mischung macht’s.
Wo reden Sie unwillkürlich zu viel? Wo zu wenig? Schweigen ist nicht besser als Reden: Die Mischung macht’s. Die meisten Menschen quasseln zur Unzeit zu viel und schweigen zur Unzeit zu oft. Daher kommt das betretene, verlegene, unterwürfige oder resignative Schweigen: Da ist Schweigen fehl am Platz. Aber Ihnen fällt in bestimmten Situationen einfach nichts Passendes ein? Dann könnten Sie aus dem verlegenen, verdutzten Schweigen zumindest ein trotziges (verschränkte Arme, böser Blick) oder ein überlegenes machen (Augenbrauen hoch, direkter Blick). Sie sehen: Schweigen hilft. Lassen Sie sich helfen. Üben Sie Schweigen. Wie wäre es mit jetzt?
Autorin: Dr. Cornelia Topf
© Rhetorikmagazin
Seit über zwanzig Jahren unterstützt Dr. Cornelia Topf als internationale Managementtrainerin und zertifizierter Businesscoach namhafte Unternehmen aller Größen und Branchen. Zu ihren Schwerpunkten gehören zielführende Kommunikation und erfolgsorientierte Körpersprache. Insbesondere die Förderung von Frauen und ein Miteinander auf Augenhöhe liegen der promovierten Wirtschaftswissenschaftlerin am Herzen.
Dr. Cornelia Topf ist Geschäftsführerin von metatalk Kommunikation & Training in Augsburg und eine gefragte Expertin in den Medien. Sie ist zudem Autorin zahlreicher Fachbücher und Ratgeber, die in zahlreiche Sprachen übersetzt wurden, darunter das Buch und Hörbuch „Einfach mal die Klappe halten“.